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Reiseberichte
von Klaus Bölling und Renate Rüthlein
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[Kerala 2004 - Seite 21/39]

(RR: Die Inhaberin - eine ca. achtundzwanzigjährige Deutsche - war mit einem Inder liiert oder verheiratet und gab jungen indischen Künstlern die Möglichkeit, in den zur Straße hin gelegenen grozügigen Galerieräumen ihre Bilder und Skulpturen auszustellen. Hier gab es keine Saris, die indischen Frauen trugen Jeans und T-Shirt und rauchten!)
Auf dem Weg zum Auto lief mir ein Mann, der kleine Trommeln verkaufte, nach und brüllte hinter mir her Where from, you know Loddar Matthäus?

KB: Unser nächstes Ziel war die äußerste Nordspitze von Willingdon Island, wo sich das Taj Malabar Hotel befand. Wieder salutierte ein uniformierter Operettengeneral vor dem Landrover. Im weitläufigen Gartenrestaurant waren wir die einzigen Gäste, nur am etwas höher gelegenen Pool lümmelten ein paar Weiße. Wir saßen direkt am Wasser und fühlten uns wie in Hamburg an der Außenalster. Auch die Preise waren ähnlich. Für zwei mittelmäßige Gimlets und ein Bier der Marke Royal Challenge(!) zahlten wir neunhundert Rupien und gaben - auf Anraten von PM, wohl in Erinnerung daran, daß AM hier eine Kellnerlehre gemacht hatte - fünfzig Rupien Trinkgeld.

Wir sahen aufs Wasser der weiträumigen Hafenbucht, die sich im Westen zum Arabischen Meer hin öffnete und auf den Sonnenuntergang wartete. Altertümliche Holzkähne, rostige Frachter und schnittige Motorboote zogen an uns vorüber. Wir saßen unter Palmen und weißen Sonnenschirmen am Rande des ziemlich großen und sehr gepflegten Restaurantgartens, wo man an jedem strategisch wichtigen Ort Personal sah, das fegte, obwohl es hier wirklich nichts zu fegen gab. Doch wir sagten uns: Besser ein Nichts fegen als gar nicht fegen. Ein paar Meter von uns entfernt stand ein viereckiger Pavillon mit offenen Seiten, einem Keraladach mit roten Schindeln drauf und einem riesigen Tandoori Ofen in der Mitte, in dem abends die leckeren Hühner gebraten wurden. Der Kellner war in fleckenloses, helles Beige gekleidet, sprach Englisch und hatte internationalen Standard, zumindest hatte er beim Servieren nicht den Daumen im Glas.

Die Klos im Innenbereich verursachten einen leichten Kulturschock. Vergoldete Wasserhähne, blitzende Kacheln, makellose Kristallspiegel. Auf dem Waschtisch duftende Seife und ein Fläschchen Parfüm. Aus der Kloschüssel hätte man trinken können. Wir wagten kaum zu atmen vor so viel Hygiene. Offenbar neigte man in diesem Land, sowohl was Sauberkeit als auch was Dreck betraf, zu Übertreibungen.

Zurück ging’s am alten Flughafen vorbei über die Brücke nach Ernakulam. Auf der MG Road tobte die Rush Hour. Wir fuhren kurz auf den Parkplatz des Taj Residency, das direkt am Marine Drive lag, von wo man den Sonnenuntergang beobachten konnte. Es herrschte Promenaden Stimmung, wie in good old Europe. Hätte nur eine Militärkapelle gefehlt, die Blasmusik spielte. Auf der Ufermauer saßen junge Pärchen und flirteten, was das Zeug hielt. Man konnte also gewisse Konventionen übertreten in diesem sittenstrengen Land, ohne gesteinigt zu werden. Zwischen promenierenden Großfamilien lungerte ein Bettler. Ein würdiger älterer Herr ging mit auf dem Rücken verschränkten Händen unter den im Gegenlicht schwarzen Palmen. Wie erschlaffte Segel gaben sich die Menschen der leichten Abendbrise hin. Die untergangsbereite Sonne hatte mit dramatischen Wolkenformationen zu kämpfen, die rot und golden erglühten. Da, wo wir standen, ergoß sich unter uns aus einem Rohr leise plätschernd stinkendes Abwasser ins Meer.

Als wir wieder im funktionierenden Chaos der MG Road steckten, war es bereits völlig dunkel geworden. Es dauerte endlos, bis wir die Stadt hinter uns hatten. Dass kaum ein Fahrzeug Rücklichter hatte, konnte uns schon nicht mehr erschüttern. Etwa zwanzig Kilometer vor Cherpu machten wir noch eine Rast in einem Hotel-Restaurant in einem kleinen Ort ohne Namen. Das Restaurant war ein europäisch gestylter Fastfood Laden mit internationalen und indischen Gerichten auf der Karte. Wir bestellten Prawns und Egg Masala. Die Prawns waren mit Knoblauch und Ingwer gewürzt. Die hartgekochten Eier schwammen in einer Gemüse-Coconut-Pampe...

Seltsames
Morgens lag auf den Fliesen der Terrasse eine alte Postkarte mit einem Foto des Gateway of India in
Bombay. Auf dem Glastisch, an dem wir saßen, lag ein ramponiertes Farbfoto, das den Innenhof zeigte, wie er aussah, als PM das Haus kaufte. Auch er rätselte, wie die Sachen auf die Terrasse gekommen sein könnten. Eigentlich sollten sie auf dem Dachboden sein, der sich über den Räumen, die wir bewohnten, hinzog... Es war drückend heiß, und kein Lufthauch ging. Beim Frühstück erzählte PM, dass es frühmorgens geklingelt habe, und als AM das Tor öffnete, stand dort ein Typ, der ankündigte, dass er in Zukunft nachts das Grundstück ‚bewachen’ werde. AM gab ihm zehn Rupien, danach zog er ab. Laut PM sind es hauptsächlich Nepalesen, die sich so ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie sind nicht ungefährlich, und haben oft eine Knarre in der Tasche. In Europa nannte man das Schutzgelderpressung.

Fahrpreiserhöhung und Einkäufe in Trichur
Der Schaffner wollte elf Rupien. Ich gab ihm zehn und sagte, gestern hätte ich neun bezahlt. Er gab mir zwei Fahrscheine und murmelte etwas auf Malayalam. Hinterher erfuhr ich, dass elf Rupien der korrekte Fahrpreis gewesen wären, denn man hatte seit gestern von vierfünfzig auf fünffünfzig erhöht wegen der gestiegenen Spritpreise. Sorry, Schaffner.
(RR: Der Busfahrer hatte - wie alle seine Kollegen - unter einem blumenbekränzten, schreiend bunten Götterbild eine Opferschale stehen. Ich schielte hinein und sah nur eine kleine, mittlerweile etwas braune Banane dort liegen. Man konnte nur hoffen, dass dieses Opfer ausreichen würde, uns heil nach Trichur zu bringen.)

KB: In Trichur machten wir als erstes eine Runde um den Tempel, der auf einem niedrigen Hügel wie im Mittelpunkt eines Kreises lag, den der Round bildete. Der Vadakunnatha galt als größte Tempelanlage Keralas. Als Nichthindus war uns der Eintritt verwehrt. So sahen wir nichts als die über vier Meter hohe, aus Lateritsteinen gebaute Außenmauer, die schwarzen Monsunschimmel ausschwitzte, und das babyblau getünchte Hauptportal mit den klassisch ineinander verschachtelten Schindeldächern, die auf hölzernen, mit nichtfigürlicher Ornamentik überladenen Säulen ruhten, welche den Eindruck erweckten, als seien sie auf die durchgehende Grundfläche der Mauer aufgeklebt worden. Es gab nichts, was uns, künstlerisch gesehen, vom Hocker gerissen hätte. Alles war etwas schäbig und schmuddelig; wenn es innen auch so aussah, war es kein großer Verlust, dass wir uns nicht mit eigenen Augen davon überzeugen konnten. Selbst der Maidan, die Grünanlage, die den Tempelbezirk umgab, wirkte schmierig und ungepflegt. Nach Süden hin sah man über Baumwipfeln die hoch aufragenden, weißen Zuckerbäckertürme der Lourdes Cathedral, deren Neonkreuz auf der Spitze abends rot leuchtete.

Da es nichts weiter zu sehen gab als das pralle Leben um uns herum, stürzten wir uns ins Basargewimmel und kauften Hemden, Sandalen und Schuhe im gleichen staatlichen Laden, wo wir bereits Einkäufe getätigt hatten. Bei näherem Hinsehen war heute alles noch verstaubter als beim letzten Mal und schien seit Jahren unausgepackt in halb geöffneten Kartons vor sich hin zu gammeln, während die Regale leer waren. Ich hielt den linken Schuh eines Paars geflochtener Lederslipper in der Hand und sah zu, wie mehrere staatliche Angstellte, Staubwolken aufwirbelnd, ohne die geringste Hast und voller Gottvertrauen in Bergen von Kartons nach dem rechten wühlten - und ihn schließlich auch noch fanden!

RR: Ein Verkäufer, der mehr als fünf Wörter Englisch konnte, sprach uns an und fragte, ob wir Euro-Münzen hätten für ihn. Auf meinen etwas misstrauischen Blick hin erklärte er, er würde Münzen sammeln. Wir versicherten ihm, wir hätten keine Euros einstecken, aber bei unserem nächsten Einkaufsbesuch würden wir ihm welche mitbringen. Ein paar Häuser weiter gab es einen staatlichen Handicraft-Laden, der von außen einen recht imposanten Eindruck machte. Außer uns befanden sich noch drei Ordensschwestern, die wir anhand von Konversationsfetzen als Italienerinnen identifizierten, in dem Laden und interessierten sich sehr für den fürchterlichsten Christenkitsch. Wir wurden sofort von zwei Verkäuferinnen umschwärmt, der Rest des Personals tat so, als hätte er ungeheuer viel zu tun. Umgeben von teilweise grauenvollem Kitsch, kaufte ich vier kleine geschnitzte Holzelefanten und ein paar Postkarten. Alles wanderte durch die Hände von vier Verkäuferinnen und Verkäufern. Endlich hatte ich eine Tüte inclusive gestempelter Quittungen in der Hand, und wir traten wieder auf die Straße.

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