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Reiseberichte
von Klaus Bölling und Renate Rüthlein
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[Kerala 2004 - Seite 32/39]

Param Puri im Indian Coffee House
Das Indian Coffee House lag schräg gegenüber dem Busbahnhof. Wir bestellten zwei Kaffee und eine Flasche Mineralwasser, die wie gestern auch vom Büdchen nebenan geholt werden mußte und von einem strahlenden Kellner vor uns auf den Tisch gestellt wurde. Die Plastikverschweißung um den Deckel kriegten wir erst auf, als der Kellner uns mit dem spitzen Gerät, auf den die Kassenbons aufgespießt wurden, zu Hilfe kam. Alle lachten sich schepp, als RR wieder in perfektem Malayalam Purram Purri bestellte. Den Kaffee bekamen wir erst, nachdem wir zweimal nachgefragt hatten, das Purram Purri war wieder eine doppelte Portion, und vor mich stellte man einen Teller mit diesen runden Dingern, die Blasen warfen, die Ameni auch öfter zubereitete und die ich bestimmt nicht bestellt hatte. Dazu ein Schüsselchen mit einer rötlichen Pampe drin. Obwohl es nicht viele Gäste gab, waren offensichtlich einige Bestellungen, bedingt durch die Aufregung, die unser hoher Besuch bewirkt haben mochte, durcheinandergeraten. Doch alles klärte sich auf. Ich durfte von RR’s Teller eine halbe Banane essen, wir tranken den wunderbaren Kaffee und überlegten, ob wir für den knappen Kilometer eine Rikscha nehmen sollten oder nicht, denn der Weg zur Trichur Road, wo der Dentist seine Praxis hatte, führte über ein langes Stück Hauptstraße am Ortsausgang, wo nur noch vereinzelt flache Häuser am Straßenrand standen und man vom streichholzbreiten Schatten eines Telegraphenmasten zum nächsten hastete. Als schließlich auch noch RR’s Sandale kaputt ging, hielten wir eine Rikscha an.

TV beim Zahnarzt
Das Wartezimmer war voll, und die Glotze lief. Selbst die Einheimischen hingen bei dieser Hitze apathisch auf ihren Plastikstühlen. Auf dem Bildschirm eine gefühlvolle Seifenoper auf Malayalam. Wir hatten gehört, dass die heimische Filmproduktion zur Verblödung der Massen recht umfangreich sein sollte. Es wurde viel geschluchzt. Auch Männer weinten hemmungslos. Die meisten waren westlich gekleidet und sahen ziemlich schwul aus. Die Frauen trugen überwiegend Sari. Vom Flughafen Kochi, wo eine dramatische Szene spielte, hätte man meinen können, es sei das Terminal eines Weltflughafens. Auch die zweihundert Meter lange, vierspurig ausgebaute Autobahn, die an einem Roundabout vorm Flughafengebäude endete, hatte man metropolenmäßig großartig in Szene gesetzt.

Kerosin-Rikscha
Das Gefährt sah ziemlich rostig aus, doch die vielen frischen Schweißnähte ließen auf Fahrtüchtigkeit schließen. Es war sogar mehr als fahrtüchtig. Der Motor mußte frisiert sein, denn der Mensch überholte mit atemberaubender Geschwindigkeit und einen Kondensstreifen aus verbranntem Kerosin hinter sich lassend die brandneu aussehenden Fahrzeuge seiner Kollegen, die uns mit offenem Mund hinterher starrten.

Zerfetzte Hemdkragen und Hinduhäuptlinge
In einer Seitenstraße, die in den Highway mündete, hatte ein langer Demonstrationszug Aufstellung genommen, dessen Spitze uns auf der linken Seite der Landstraße entgegenkam. Ungefähr zwanzig junge Männer mit nacktem Oberkörper hatten Faßtrommeln um den Hals hängen und gaben den Marschrhythmus vor. Es war ein buntes, freundliches Bild, von dem nichts Bedrohliches ausging. Viele trugen Luftballons in den Händen. Die Plakate auf Malayalam konnten wir leider nicht lesen. Wahrscheinlich ging es immer noch um die Freilassung des Hinduhäuptlings, den man vor ein paar Tagen eingebuchtet hatte. Während RR fasziniert den zerfetzten Hemdkragen des Fahrers betrachtete, hatten uns einige Demonstranten in der Rikscha entdeckt, und alle begannen, uns fröhlich lachend zuzuwinken. Hätte nur noch gefehlt, dass man Fähnchen geschwenkt hätte. Der Fahrer, der beim Start fünfundachtzig Rupien hatte haben wollen, verlangte, in Nalukkettu angekommen, dann doch hundert. Zum Feilschen reichte unsere Energie nicht mehr.
Ratten
Die Dunkelheit war wie ein feuchter Lappen auf die Erde gefallen. Wir waren allein auf dem Grundstück. Da Wochenende war, saßen wir auf der großen Terrasse. Nachmittags, als wir die Korbsessel umgeräumt hatten und PM die geflochtene Sitzbank aus der Halle in Richtung Terrasse trug, hatte er einen spitzen Schrei ausgestoßen, als ihm eine ausgewachsene Ratte vor die Füße sprang, die es sich unter den Kissen bequem gemacht hatte. Obwohl Neo und Bodhi in ihrem Zwinger lagen, war uns unheimlich, allein auf dem riesigen Gelände zu sitzen und in die Dunkelheit zu starren. Wir machten alle Außenbeleuchtung an und schlossen die hintere Pforte, die immer nur angelehnt war. Unsere Nerven schienen ziemlich strapaziert zu sein. Als PM zurückkehrte, brachte er die Nachricht mit, dass am Montag wieder gestreikt werde.

Morgenspaziergang in Cherpu
Es waren überwiegend schmucklose Betonbungalows und einstöckige Einfamilienhäuser, die im wuchernden Grün des Bonsai-Urwaldes standen, der jedes Grundstück bedeckte. Nur selten sah man ein Haus im traditionellen Keralastil mit dem weit heruntergezogenen Schindeldach und säulengestützter Terrasse. Dass ein Auto vor dem Grundstück parkte, war eher die Ausnahme, Motorräder und Fahrräder sah man häufiger. Es war unterste Mittelschicht, die hier wohnte. AM verschwand in einer niedrigen, dämmrigen Steinhütte, die so etwas wie die Dorfkneipe war, und brachte zwei Gläser mit Chai. Wir setzten uns auf die Treppenstufen aus Stein, tranken den heißen Tee und rauchten eine Zigarette dazu. Die herumlungernden Männer waren zum Glück nicht aufdringlich, denn sie brauchten nicht ihr Whatsyourname-Ritual abzuspulen, da sie AM, der hier aufgewachsen war und jeden kannte, diskret über mich ausfragen konnten. Als ihr Informationsbedürfnis gestillt war, spazierten wir weiter.

Für mich sah ein Weg aus wie der andere. Eine Palme wie die andere. Bis auf ein nicht sehr ausgedehntes Paddy, ein Reisfeld, gab es keine unbebaute Natur. Das Gefühl, als sei das ganze Land ein einziger dicht besiedelter Vorort, verließ einen nie. AM hatte hier seine Kindheit und Jugend verbracht, kannte jeden Stein und registrierte schmerzhaft jede Veränderung, die meistens eine Verschlechterung war. So war gleich neben dem Paddy eine wilde Müllkippe entstanden, was ihn traurig und wütend machte. Ansonsten waren die Bewohner offensichtlich bemüht, die ausgedehnte Siedlung sauber zu halten.

Manchmal erblickten wir auf einem größeren Grundstück einen kleinen Familientempel. AM bestätigte, dass die merkwürdigen Tafeln mit für mich nicht lesbaren Buchstaben und einer Spalte Zahlen dahinter wirklich Preislisten waren für die Opfergaben, die man hier kaufen konnte, um sie der jeweiligen Gottheit darzubringen. Die Preise reichten von drei bis dreißig Rupien. Es war nicht ungewöhnlich, dass innerhalb der spirituellen Dienstleistungsbranche ein Familientempel wie ein Gewerbebetrieb geführt wurde und sich zu einer Größe entwickeln konnte, dass er Profit abwarf und eine Familie zu ernähren vermochte. Auch an einem größeren Tempel, der quasi ein Vollerwerbsbetrieb war, kamen wir vorbei. Im Vorhof stand ein Schrein mit wunderschönem, farbigen Figurenschmuck. AM erklärte mir, daß dies ein für das benachbarte Tamil Nadu typischer Tempel sei, der sich von den schmucklosen Kerala-Tempeln durch seine naturalistische Ornamentik und farbenfrohe Bemalung unterschied. Auch ein kleiner Tempelteich mit stillem, grünen Wasser gehörte dazu. Durch eine Steinmauer getrennt, vollzogen Männer und Frauen ihre rituellen Waschungen. Zwei Frauen wuschen allerdings auch ganz profane Wäschestücke, indem sie sie auf die Steinstufen klatschten.

Dreihundertsechzig Käsesorten
Heute war auf der großen Terrasse zum Frühstück gedeckt. Wir saßen im Schneidersitz auf den roten

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