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Reiseberichte
von Klaus Bölling und Renate Rüthlein
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[Kerala 2004 - Seite 9/39]

Afrikanerin?

Ayurveda-Massage
Für sechs Uhr hatten wir den Wecker gestellt. Um sieben sollte ich meine erste Ayurvedamassage erhalten. Ich wachte aber schon um fünf Uhr auf, weil ich pinkeln mußte. An Wiedereinschlafen war nicht zu denken. Um mich herum war ein Höllenlärm. Abgesehen von der monotonen Blechmusik, die vom Tempel herüberdröhnte, waren es organische Geräusche: Hähne krähten, Krähen kreischten, Hunde bellten, unbekannte Tiere gaben etwas, das nur Todesschreie sein konnten, von sich, und in den Palmen rauschte der Morgenwind. Aus dem Massageraum hörte ich, wie Hände auf nacktes Menschenfleisch klatschten. Im Vorraum zur Küche frönte Franko dem geheiligten Ritual der morgendlichen Rachenreinigung, was sich anhörte, als würde er Reißzwecken husten. Alles zusammengemixt ergab den morgendlichen Sound of Kerala. Franko, der auf dem Sprung war, nach Kochi zu fahren, wo er während der Woche in einer Autofirma arbeitete, erzählte mir, dass die Musik aus dem Tempel nicht nur zu Festtagen erklinge, sondern zum normalen rituellen Alltag gehöre: Um 5 Uhr morgens wird die Gottheit mit dieser Musik geweckt, und das zieht sich hin bis sechs Uhr. Und das jeden Morgen. Ich fragte mich, warum die ganze Nachbarschaft mit aufgeweckt werden mußte. Darauf wußte Franko auch keine Antwort.

Kurz darauf kam PM ölglänzend, nur mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Massageraum, wo ihn Kuttan, der einheimische Masseur anderthalb Stunden massiert hatte. Während er mit großer Geste die morgendliche Chai-Zubereitung zelebrierte, erörterten wir kurz die politische Weltlage unter besonderer Berücksichtigung Keralas. Nachdem ich den Edelstahlbecher mit Chai geleert hatte, diesen süßen, klebrigen Milchtee würde ich nirgendwo auf der Welt anrühren, aber hier wurde man süchtig danach, ging ich in den Massageraum, wo Kuttan, ein feingliedriger, zierlich gewachsener junger Mann mich mit einem sanften, freundlichen Lächeln begrüßte. Er sprach nur Malayalam, wir mußten uns also mit Händen und Füßen verständigen. Auf der anderen Bank wurde RR von Sheela, einer schon etwas älteren Dame, massiert. Da wir gehört hatten, dass manche indische Masseure oder Masseusen Probleme damit hatten, einen Menschen, der keine Unterhose anhatte, zu behandeln, hatten wir vorsorglich PM gefragt, wie das mit Kuttan war. PM wurde unten ohne massiert, damit war das Problem auch für uns erledigt.

Die Massage bestand im wesentlichen darin, dass ein Kräuteröl mehr oder weniger sanft über den ganzen Körper verteilt und einmassiert wurde. Der Körper wurde als Ganzheit gesehen und nicht nur als eine zufällige Ansammlung schmerzender Teile. Somit war die Erfahrung der Ganzheit des Schmerzes das eigentlich Wohltuende. Ich merkte, dass ich nach einer knappen Stunde anfing, zivilisationsbedingt ungeduldig zu werden. Aber Kuttan war erst bei den Füßen. Gesicht und Kopf kamen zum Schluß, das wußte ich. Also entspannen, was auf der Originalmassagebank aus schwarzem, ölgetränkten Tropenholz gar nicht einfach war, obwohl Kuttan an den kritischen Stellen Tücher untergelegt hatte. Schließlich war es überstanden, und ich freute mich schon auf Morgen. Eine Unterhose hätte übrigens den Bewegungsfluß der massierenden Hände stark behindert und wäre so von Öl getränkt gewesen, dass ich sie hätte wegschmeißen können. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass es Kuttan Freude bereitete, mein Schwänzchen, wenn es der massierenden Hand im Wege war, mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand zart anzuheben.
(RR: Mich auch noch zu massieren, wäre für Kuttan zu viel gewesen, nicht weil es dann drei Personen gewesen wären, sondern weil ich eine Frau war. Also hatten AM und Franko es recht
mühevoll organisiert, dass Sheela kam. Anschließend fuhr sie zu ihrer Arbeitsstelle in ein ayurvedisches Hospital. Zum Glück für mich gab es keine zweite Originalmassagebank, so dass ich auf einem Tisch mit einer abwaschbaren Schaumgummiunterlage lag. Das Massage-Öl wurde vorher warm gemacht und mit meinen Beinen und Armen machte Sheela noch wohltuende Übungen. Für die eineinhalbstündige Massage zahlten wir hundert Rupien, ca. ein Euro achtzig.)

KB: Nach dem Frühstück wollten wir das Gesundheitsprogramm komplett machen und begaben uns zum Pool, in dem PM schon in seinem Gummireifen plantschte und mit höchst konzentriertem Gesichtsausdruck Entengrütze schöpfte. Durch die hohen Lateritsteinmauern, die den Pool umgaben, um ihn davor zu schützen, dass der schlitzohrige Nachbar seine Wasserbüffel darin baden ließ, worauf er offenbar Anspruch erhoben hatte, bekam der Ort etwas Düsteres, auch wenn sich Palmen vor dem milchigen Tropenhimmel wiegten. PM’s Bemerkung, er hätte wohl eine Algenallergie, machte das Baden im Monsunwasser keineswegs attraktiver. Man hatte nach jeder Runde Schwimmen das Bedürfnis, sofort unter die Dusche zu hüpfen.

Krähen und die Göttin der Armut
Zum Frühstück hatte es Bällchen aus Kokosflocken und Reismehl gegeben, zusammen mit den üblichen auf mehrere Edelstahlschüsselchen verteilten, bunten Gemüsen. Ich war nicht sehr amused gewesen. PM hatte von seinem Verdacht erzählt, dass Ammeni, die Mann und Schwager vor noch nicht langer Zeit durch Selbstmord verloren hatte, heimlich die Krähen fütterte, wenn sie um die neben dem Hintereingang zur Küche stehenden Fressnäpfe der Hunde herumflatterten. Nach Hinduglauben leben die Seelen der Verstorbenen in Krähen weiter...

Auf dem Weg zum Pool begegnete uns Arishi mit einem Korb voll trockener Palmblätter und Brennholz auf dem Kopf. Sie schritt wie eine Königin vorüber und strahlte uns mit dem eruptiven Lächeln eines Kindes an, als sie merkte, dass wir uns freuten, sie zu sehen. Sie war unterwegs zum Hintereingang der Küche, um neben der offenen Feuerstelle, auf der in einem großen Topf Wäsche kochte, ihren Brennholzvorrat abzuladen. Natürlich gab es in der Küche eine Waschmaschine, die aber nur von den Herren des Hauses bedient wurde. In dem Topf auf offenem Feuer wurden hauptsächlich die ölgetränkten Massage-Tücher gekocht.

Der Coconut Plucker
Es war später Vormittag, als er kam, um die Kokosnüsse von den Palmen zu holen. Er war sehr dunkelhäutig, wahrscheinlich ein Tribal, so nannte man die Ureinwohner, die teilweise auch heute noch im Dschungel lebten. Er trug einen pinkfarbenen Mundu und über der Schulter eine lange, oberarmdicke Bambusstange, deren Äste so abgeschnitten waren, dass man die stehengebliebenen Stümpfe als Leitersprossen benutzen konnte. Diese Naturleiter reichte fast bis in den Wipfel der Palmen, so dass der Plucker, ohne sich noch am Stamm der Palme selbst anseilen zu müssen, die Coconuts mit seiner Machete erreichen konnte. Mit dumpfem Plopp fielen die schweren Dinger zu Boden, und man sollte sich sehr davor hüten eine auf den Schädel zu bekommen, das konnte tödlich sein.

Der
Plucker bekam für jede Palme, die er aberntete, fünf Rupien. Waren viele Nüsse auf einer Palme, Pech für den Plucker, waren es nur wenige, Pech für AM, der die Nüsse, wenn genug da waren, verkaufte und mit dem Geld seine Eltern unterstützte. Die waren über siebzig, und so etwas wie Rente gab es nicht. Der Vater hatte

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